Herzlich willkommen an meinen Grenzen!
Diese Woche hatte es in sich. In mehr als nur einer Hinsicht hat sie mich an meine Grenzen gebracht und auch mal darüber hinaus. Dazu gibt es ganz bald auch eine persönliche und ungeschönte Selbstreflektion mit dem SCARF-Modell, das ich vor ein paar Wochen hier vorgestellt habe.
Ein Impuls, der mir geholfen hat, doch noch versöhnt aus dieser Woche zu gehen, kam im Gespräch mit meinen wunderbaren Kolleginnen Amelie und Carola von den Kommunikationslotsen auf. Wir haben uns darüber berichtet, wo wir aktuell trotz all der Einschränkungen, die das Leben gerade mit sich bringt, aus dem Vollen schöpfen. Daraus hat Amelie flugs wieder einen kleinen Selbst-Coaching-Impuls visualisiert, den ihr am Ende vom Artikel findet. Wer Lust hat, findet auf dem Weg dahin etwas darüber, was das mit unserer Fähigkeit zu tun hat, gut durch Transformations- und Krisenzeiten zu kommen.
Tiefes Loch, wenig Gefühl für den Boden
Und da war ich diese Woche mitten drin. Gerade angesichts der aktuellen Ankündigungen dazu, worauf Familien sich in den kommenden Monaten weiterhin einstellen müssen, hat mich ein Gefühl von Ohnmacht gepackt, von Nicht-Wissen, wie das alles weiter gehen soll, wie wir als Paar es schaffen können, nicht in Verteilungskämpfe zu verfallen, wie unser Kind ohne wirklichen Kontakt zu anderen Kindern seine zunehmende Autonomie ausleben kann, woher die Kraft für die x-te kreative Eigenlösung kommen soll. Tiefes Loch, wenig Gefühl für den Boden.
Meine ganze Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, was gerade alles nicht ist – nicht möglich, nicht machbar, nicht da. Aus neurowissenschaftlicher Sicht kann man sagen, ich war in einer Art Problemtrance, voller Fokus auf mein Problemerleben. Und damit auch mittendrin in all den – auch physiologischen Prozessen – die durch Stress, Trauer und Unsicherheit ausgelöst werden.
Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wird mehr
Aus den Neurowissenschaften wissen wir, dass unser Gehirn nicht unterscheidet zwischen aktuellem Erleben, bereits Erlebtem oder der Imagination von etwas, das wir erleben möchten. Die Gefühle und auch physiologische Reaktionen sind dieselben. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf das, was wir als negativ, beängstigend, verunsichernd empfinden, verstärken wir unser Erleben in diese Richtung. Und umgekehrt ganz genau so. Genau deswegen können wir unseren Zustand spürbar dadurch verbessern, dass wir unsere Aufmerksamkeit vom Problemerleben aus weg und auf etwas Neues ausrichten.
Das klingt vielleicht erstmal schwierig und zu simpel zu gleich. Denn wie löst man sich von einem Problem, das einen zu erdrücken scheint? Und so einfach kann es dann doch auch wieder nicht sein, einfach an etwas Schönes zu denken?
Wir haben Gefühle, wir sind nicht unsere Gefühle
Ein Erkenntnis, die mir dazu in der Vergangenheit ganz oft geholfen hat, war, dass ich Gefühle habe, die mein aktuelles Erleben zu dominieren scheinen – aber dass diese Gefühle dennoch nicht (meine) gesamte Realität sind. Dass ich sie wahrnehmen kann, aber mich nicht vollkommen von ihnen mitreißen lassen muss. Sondern dass ich tatsächlich eine bewusste Wahl habe, wie ich mit dem umgehen möchte, was sich da gerade bei mir meldet. Dass ich wählen darf, mich besser zu fühlen. Dass darin sogar meine beste Chance liegt, überhaupt Lösungen für Probleme zu finden.
Denn all das, was uns in eine Stresssituation versetzt – und dazu gehören Angst, Wut, Trauer -limitiert unser kreatives Potenzial. In unserem Gehirn sind – ganz archaisch – vornehmlich die Areale aktiv, die unser Überleben sichern sollen. Dabei reproduzieren wir das, was wir in für uns prägenden Situationen als sicherheitsspendend und lebenserhaltend abgespeichert haben. Für Kreativität und neue Lösungen ist in diesem Programm keinen Platz.
Um diesen Platz zu schaffen, brauchen wir die Aktivität des ventralen Vagus und des Parasympathikus, beides Teile unseres autonomen Nervensystems. Um sie zu aktivieren und den Gegenspieler, den Sympathikus zu dämpfen, helfen zwei sehr einfache Dinge: tiefe Bauchatmung und Bewegung. Sie können unser erster Schritt raus aus der Problemtrance sein.
Nicht das Problem lösen, sondern mich vom Problem lösen
Um ein Problem lösen zu können, hilft es also im wahrsten Sinne des Wortes erstmal, uns von unserem Problem zu lösen. Dabei geht es nicht darum, die damit verbundenen negativen Gefühle zu verdrängen. Sondern sie wahrzunehmen und uns dann mit voller Absicht in einen besseren Zustand zu bringen, aus dem heraus wir uns wieder als handlungsfähig und selbstwirksam erleben. Atmen, bewegen und dann unsere Aufmerksamkeit bewusst auf etwas anderes richten.
Das funktioniert unter anderem über das möglichst lebhafte Erinnern an etwas, das uns Spaß macht, Kraft und Energie gibt, Leichtigkeit verleiht, Glücksmomente verschafft, etwas, das uns das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Oder über das möglichst lebhafte Imaginieren einer für uns total erstrebenswerten Zukunft, z.B. über Meditation. Oder eben über das Fokussieren auf das, was trotz allem momentan in unserem Leben gut ist und wofür wir dankbar sind, so dankbar, dass es uns unwillkürlich ein Lächeln ins Gesichts zaubert oder uns das Herz aufgeht. Egal welchen Weg wir wählen, wichtig ist, dass wir versuchen, mit allen Sinnen einzutauchen in die Erinnerung oder Vorstellung.
Dankbarkeit nimmt Krisen die Schärfe und wirkt positiv auf Körper und Psyche
Jetzt ist man vielleicht schnell versucht zu fragen „Wofür soll ich in meiner aktuellen Situation denn dankbar sein?“. Diesen Gedanken kenne ich auch. Und dennoch: wann immer ich mich eingelassen habe, nach Aspekten zu suchen, kamen sie. Egal wie klein sie waren oder für wie selbstverständlich ich sie vielleicht bisher genommen habe. Studien deuten mittlerweile sogar darauf hin, dass Dankbarkeit noch viel mehr positive Nebenwirkungen hat: wer regelmäßig seine Aufmerksamkeit auf das richtet, wofür er dankbar ist, ist optimistischer, leidet weniger unter Kopfschmerzen und Muskelverspannungen, erreicht Ziele besser, verbessert seine Herzgesundheit und seine Resilienz, also die Fähigkeit, Krisen zu begegnen. Denn Dankbarkeit regt ebenfalls die Aktivität des Vagus und des parasympathischen Systems an, das für Entspannung und eine Senkung des Stresslevels verantwortlich ist. Und das lohnt sich doch in jedem Fall auszuprobieren.
Deswegen gibt es heute diesen kleinen Selbstcoaching-Impuls (Selbstcoaching Template_Reichtum) zum Ausrichten auf all den Reichtum, den es in eurem Leben gibt. Viel Freude damit!